Havarierter Öltanker Exxon Valdez vergiftete Gewässer und Küsten für Jahrzehnte
- Hintergrund
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Am 24. März 1989 lief der Öltanker Exxon Valdez im Prinz-William-Sund auf. 40.000 Tonnen Erdöl traten aus. Hunderttausende Tiere verendeten. Noch immer leidet das Gebiet unter den Folgen der Ölkatastrophe.
Am 24. März 1989 kam es in Alaska zum bis dahin größten Ölunfall in der US-Geschichte. Der Öltanker Exxon Valdez lief auf das Bligh Riff im Prinz-William-Sund auf. 40.000 Tonnen Erdöl traten aus und verschmutzten eine einmalige, weitgehend unberührte Küstenlandschaft. Hunderttausende Vögel und Fische und Tausende Säugetiere verendeten. Auch heute noch sterben in der Region Tiere, da immer noch Ölreste vorhanden sind. Eine hundertprozentige Reinigung aller Küstenabschnitte würde alle finanziellen und technischen Rahmen sprengen: . Um die über einen langen Zeitraum wären hunderte Menschen notwendig. Zudem lässt sich der Bewuchs der Küste nicht komplett reinigen, das wird auch durch den Wind erschwert. Dieser verteilt immer wieder Öl und Teer-Brocken.
Rückblick: Exxon Valdez rammt Bligh Riff
Am 23. März 1989 war die Exxon Valdez auf ihrem Weg von Valdez am Prinz-William-Sund nach Long Beach in Kalifornien. Das Schiff – 300 Meter lang, knapp 20 Meter Tiefgang, 210.000 Tonnen Fassungsvermögen – hatte 163.000 Tonnen Rohöl an Bord. Ein Lotse brachte das Schiff zunächst sicher durch die Valdez-Meerenge und verließ es anschließend.
Kapitän Joseph Hazelwood übernahm das Kommando und ordnete an, vorübergehend die normale Schiffsroute zu verlassen, um Eisbergen auszuweichen. Anschließend legte er sich schlafen und überließ das Kommando einem der Offiziere. Das Unglück nahm seinen Lauf: Um 0:04 Uhr rammte die Exxon Valdez das Bligh Riff.
Etwa 40.000 Tonnen Rohöl liefen ins Meer. Trotz ruhigen Wetters wurde so gut wie nichts unternommen, um das Öl zu bergen. Ein extra für diese Notsituationen bereit stehendes Schiff war nicht einsatzfähig. Ausrüstungen, um das Öl zu bergen, gab es nicht oder nicht in ausreichendem Umfang. Die Chance, bei relativ guten Wetterbedingungen das Öl zu bergen, war endgültig vertan, als am Montag, dem 27. März ein Sturm aufkam. Der zunächst etwa sieben Kilometer lange Ölteppich wurde innerhalb weniger Tage auf eine Länge von über 70 Kilometern verteilt, rund 2000 Kilometer Küste wurden stark verschmutzt.
Die Leittragenden der Exxon-Katastrophe
Die Folgen der Ölkatastrophe für die Tierwelt im Prinz-William-Sund waren und sind verheerend. Schätzungen des Exxon Valdez Oilspill Trustee Council (ein Treuhänderrat, der die Verwendung von Geldern zur Wiederherstellung des Ökosystems überwacht) belaufen sich auf 250.000 getötete Seevögel (andere Quellen sprechen von bis zu 675.000), 3.500 verendete Seeotter (etwa 10 Prozent der Gesamtpopulation), 300 tote Robben sowie 22 getötete Schwertwale.
Das Öl hat den Meeresboden ebenfalls stark geschädigt. Die Bestände vieler Bodentiere nahmen rapide ab, was sich direkt auf die Nahrungskette auswirkte. Darüber hinaus verschmutzte das Öl auch die für einige Fischarten sehr bedeutsamen Laichgründe im Prinz-William-Sund, und vernichtete Milliarden von Fischeiern. Wissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass das Öl das Erbgut von Heringen und Lachsen schädigt. Die Folge: missgebildete Eier und Larven.
Verheerende Auswirkungen bis heute
Nachdem die Katastrophenbekämpfung anfangs nur zögerlich anlief, versuchten schließlich etwa 11.000 Arbeiter:innen mit Hochdruckreinigern, die verseuchten Küstengebiete zu reinigen. Arbeiten, die überwiegend ergebnislos blieben. Eine Untersuchung zeigt, dass das Öl der Exxon Valdez-Katastrophe noch heute im Prinz-William-Sund in überraschend großen Mengen zu finden ist. “Gerade einmal sieben Prozent der ursprünglichen Menge konnte beseitigt werden”, so Jörg Feddern, der Greenpeace-Experte für Öl. Der Schaden an Natur und Tieren geht deshalb weit über die ersten Verluste hinaus. Das Öl, das bis heute an vielen Stränden erhalten ist, kann auch nach so vielen Jahren noch Schadstoffe freisetzen, die vor allem Seeotter und Seevögel sowie Lachsrogen gefährden.
Jörg Feddern zufolge waren die Folgen der Exxon Valdez-Havarie auch deshalb so schwerwiegend, weil Ölverschmutzungen in arktischen Gebieten besondere Schäden anrichten: “Das Öl wird durch die niedrigen Temperaturen biologisch so gut wie gar nicht abgebaut und verwittert nur sehr langsam. Zudem überdecken grober Kies und Sand das Öl, schirmen es so vom für den Abbau notwendigen Sauerstoff ab.” Dadurch sei das Öl quasi konserviert worden.
Dramatische Folgen für die Bevölkerung
Auch die Küstengemeinden wurden durch die Ölkatastrophe schwer getroffen. Die Wirtschaft einer ganzen Region, die auf das Meer angewiesen war, brach zusammen. Direkt nach dem Unfall war die Fischerei unmöglich, weil die Netze mit Öl verschmutzt wurden. Vier Jahre nach dem Unfall hatten sich die Bestände von einigen Garnelen- und Fischarten immer noch nicht erholt, obwohl seit dem Unfall die Fischerei auf diese Arten fast komplett eingestellt worden war.
Zudem hatte der plötzliche Zustrom von Reinigungsarbeiter:innen sehr negative soziale Folgen für die bis dahin relativ isolierten Gemeinschaften. 10.000 Gelegenheitsarbeiter:innen wurden angeheuert und überrannten den beschaulichen Fischerort mit ehemals 3500 Einwohner:innen. Zwar fanden viele Einwohner:innen eine gut bezahlte Arbeit bei den von Exxon finanzierten Reinigungsarbeiten, aber aus den ehemals unabhängigen Fischenden wurden nun Exxon-Abhängige.
Schrotttanker ohne Doppelhülle
Die Ölkatastrophe der Exxon Valdez konnte diese Ausmaße annehmen, weil der Tanker nur eine Außenhülle hatte. Eine zweite Schiffswand hätte höchstwahrscheinlich das Austreten größerer Ölmengen verhindert.
Die Exxon Valdez wurde 1986 in San Diego gebaut. Sie galt als Flaggschiff der Exxon-Flotte, war aber in Wirklichkeit eine Sparversion ohne Doppelhülle. Nach der Havarie im Prinz-William-Sund überholte Exxon das Schiff 1990 in San Diego für rund 30 Millionen US-Dollar. Allerdings verzichtete das Unternehmen, wahrscheinlich aus Kostengründen, erneut auf eine Doppelhülle. Seit 1991 fuhr die ehemalige Exxon Valdez unter dem Namen Exxon Mediterranean. Im August 1993 erhielt die Exxon Mediterranean den Namen S/R Mediterranean. (S/R steht für den heutigen Besitzer Sea River Maritime, eine ExxonMobil Tochter). Erst 2012 wurde das Schiff endlich verschrottet.
Exxon fährt weiter mit Schrotttankern
Die Ölkatastrophe der Exxon Valdez konnte diese Ausmaße annehmen, weil der Tanker nur eine Außenhülle hatte. Eine zweite Schiffswand hätte höchstwahrscheinlich das Austreten größerer Ölmengen verhindert.
Die Exxon Valdez wurde 1986 in San Diego gebaut. Sie galt als Flaggschiff der Exxon-Flotte, war aber in Wirklichkeit eine Sparversion ohne Doppelhülle.
Nach der Havarie im Prinz-William-Sund wurde das Schiff 1990 in San Diego für rund 30 Millionen US-Dollar überholt. Allerdings wurde, wahrscheinlich aus Kostengründen, erneut auf eine Doppelhülle verzichtet. Seit 1991 fährt die ehemalige Exxon Valdez unter dem Namen Exxon Mediterranean. Im August 1993 erhielt die Exxon Mediterranean den Namen S/R Mediterranean. (S/R steht für den heutigen Besitzer Sea River Maritime, eine ExxonMobil Tochter). Unter diesem Namen fährt sie noch heute überwiegend auf Routen im Mittleren und Fernen Osten sowie Australien.
Wie gleichgültig Exxon das Risiko von Ölunfällen ist, zeigt die Tatsache, dass bis heute ein gutes Fünftel der Sea River-Tanker unter US-Flagge nur eine Hülle haben. Andere Reedereien fahren fast ausnahmslos mit Doppelhüllen - zumindest aber mit Doppelbodenschiffen.
Auf der Katastrophenroute nach Alaska, die die Exxon Valdez nicht mehr befahren darf, fahren immer noch einhüllige Tanker, darunter kurioserweise das Schwesterschiff der Exxon Valdez, die S/R Long Beach. Das Schiff musste im Sommer 2000 kurz nach Verlassen des Terminals in Valdez/Alaska umkehren, weil aus einem knapp acht Zentimeter breiten Riss Öl austrat. Im Dezember 2002 gab es einen weiteren Zwischenfall, bei dem wieder die Hülle schadhaft war.
Die Tanker, die für Exxon nach Alaska fahren, sind zu 75 Prozent älter als zwanzig Jahre. Der Älteste ist sogar schon 27 Jahre in Gebrauch.
Die Gefahr ist noch nicht gebannt
Als Folge der Exxon Valdez-Katastrophe erließen die USA 1990 den so genannten Oil Pollution Act (OPA). Demnach müssen alle Tanker, die nach dem 1. Juli 1990 gebaut werden und einen US-Hafen anlaufen wollen, eine Doppelhülle haben. Generell müssen seit dem Jahr 2015 alle Tanker mit Doppelhüllen ausgerüstet sein. Die International Maritime Organisation (IMO), eine Organisation der UNO, beschloss im Frühjahr 2001, dass in Zukunft nur noch Tanker mit Doppelhülle gebaut werden dürfen.
“Trotz verbesserter Technik, einer besseren Ausbildung der Crews und einer besseren Überwachung der Seewege wird man leider auch weiter mit solchen Tankerunfällen leben müssen. Und zwar solange, wie wir vom Öl abhängig sind”, sagt Jörg Feddern.
Die Gefahr von weiteren Ölkatastrophen ist somit erst gebannt, wenn der Ölausstieg vollzogen ist. Besonders die russische Schattenflotte ist noch eine Gefahr. Russland versucht mit dieser geheimen Tankerflotte den Sanktionen der EU und USA gegen das russische Öl zu entgehen. Neben riesigen Mengen an Öl befinden sich viele Tanker in der Flotte, die alles andere als den modernen Sicherheitsstandards entsprechen. Dennoch setzen sie ihre Reisen fort und riskieren eine Ölkatastrophe.
Eine ebenfalls große Gefahr drohe dem sensiblen arktischen Ökosystem durch die Ambitionen der Ölkonzerne, in der Arktis nach Öl zu bohren. “Die Exxon-Valdez-Katastrophe hat gezeigt, wie wenig der Mensch in der Lage ist, solch ein Unglück in den Griff zu bekommen. Ein Unfall auf einer Bohr- oder Förderplattform könnte noch weitaus größere Ausmaße haben”, so Feddern. Wir müssen uns vom Öl unabhängig machen, massiv in Erneuerbare Energien investieren – auch aus der Notwendigkeit heraus, die Folgen des Klimawandels zu begrenzen.
Exxon stiehlt sich aus der Verantwortung
Die Reinigungsarbeiten kosteten über zwei Milliarden Dollar. Exxon übernahm zwar diese Summe, konnte sie aber später durch zahlreiche Tricks steuerlich abschreiben. Das heißt: Die US-Steuerzahler:innen finanzierten einen Großteil der Reinigungsarbeiten.
Immer wieder betonte der Konzern, der Unfall sei durch unglückliche Umstände und menschliches Versagen verursacht worden. Ein Geschworenengericht stellte aber nach einer Klage von 40.000 Fischenden und Einwohner:innen Alaskas 1994 fest: Exxon hat zu dem Unfall grob fahrlässig beigetragen, da die Alkoholkrankheit des Kapitäns Joseph Hazelwood aktenkundig war. Dennoch hatte er keine Maßnahmen ergriffen.
Der Konzern wurde schließlich zu einer Strafzahlung von fünf Milliarden US-Dollar verurteilt, zu zahlen an die kommerziellen Fischenden, die Einwohner:innen Alaskas und weitere Betroffene. Gleichzeitig wurden 287 Millionen US-Dollar Entschädigung für die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ölunfalls zuerkannt.
Exxon focht diese Verurteilung mit immer neuen Argumenten an. Zunächst mit Erfolg: Im November 2001 verwies ein Berufungsgericht das Verfahren an das Distriktgericht in Anchorage/Alaska zurück. Aufrechterhalten blieben aber die Entschädigungszahlungen und die Auffassung des Gerichts, dass Exxon bei dem Unglück rücksichtslos gehandelt habe.
Die Entscheidung des Distriktgerichts fiel Ende Januar 2004: Das Gericht setzte die Strafzahlung auf 4,5 Milliarden US-Dollar fest. Exxon kündigte jedoch wieder an, in Berufung zu gehen. Der Ölkonzern bot die lächerliche Summe von maximal 25 Millionen US-Dollar an. 2008 begrenzte das Gericht die Strafzahlung auf 500 Millionen US-Dollar.
“Geklagt hatten etwa 40.000 Menschen; davon waren etliche schon nicht mehr am Leben, als das Urteil gesprochen wurde”, erklärt der Greenpeace-Experte Jörg Feddern. Sie seien gestorben, ohne Gerechtigkeit erfahren zu haben. Die anderen erhielten ungefähr 15.000 US-Dollar pro Kläger:in. “Wenn man sich vor Augen führt, dass Exxon 2008 einen Gewinn von über 45 Milliarden US-Dollar eingefahren hat, den bis dahin größten Gewinn der gesamten Firmengeschichte, dann ist die insgesamt gezahlte Summe von 500 Millionen US-Dollar ein schlechter Witz”, so Feddern.