Jetzt spenden
Ölplattform in der Nordsee im Mai 2010
Martin Langer / Greenpeace

Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert

Etwa 200-300 Tonnen Erdöl sind bereits ausgeflossen und bilden einen Ölteppich auf der Nordsee. Shell schätzt die Größe zunächst auf etwa 26 Quadratkilometer ein - eine Fläche, die etwa sechsmal so groß ist wie der Englische Garten in München. Rund zwei Wochen nach dem Unfall soll dieser auf 6,7 Quadratkilometer geschrumpft sein.

Jörg Feddern, Ölexperte bei Greenpeace, hat sich bei einem Überflug einige Tage nach dem Unfall ein Bild von der Lage machen können und berichtet: Wir konnten aus der Luft tatsächlich eine Ölfahne feststellen, die relativ frisch war. Einige Tage sah es so aus, als ob Shell den Ölaustritt keineswegs unter Kontrolle hat. Tatsächlich musste der Konzern am 16. August eine zweite undichte Stelle bekanntgeben. Das Öl suche sich nun über ein kleineres Loch einen Weg, heißt es ominös aus der Zentrale. Nun sei das entsprechende Ventil geschlossen.

Jeder Liter Öl zu viel

Wie bei der Ölkatastrophe der Deepwater Horizon weiß nur die Ölfirma selbst, wie viel Öl tatsächlich ausgeflossen ist. Bei Shell geht man von etwa 300 Tonnen aus - eine vergleichsweise geringe Menge. Maximal sollten 860 Tonnen ausfließen können, schätzt Shell. Wenn diese Angaben stimmen, wäre das Ausmaß nicht zu vergleichen mit dem Desaster der Deepwater Horizon. Dort sind 660.000 Tonnen Öl ausgeflossen, erklärt Feddern. Trotzdem ist jeder Liter Öl im Meer ein Liter zu viel. Öl ist ein Giftstoff, der die Meeresumwelt erheblich schädigen kann.

Im Gegensatz zu BP im Golf von Mexiko verzichtet Shell derzeit darauf, Chemikalien einzusetzen, um den Ölteppich aufzulösen. Wartet man einfach ab? Als ich die Unfallstelle überflogen habe, lagen dort zwei große Schiffe in der Nähe der Ölfahne. Diese Schiffe sind dafür ausgerüstet, Material herunterzulassen, um auf dem Meeresboden technische Geräte zu reparieren, erzählt Feddern. Ölsperren oder Ölbekämpfungsschiffe habe er allerdings nicht ausmachen können. Der Grund: Shell erwartet, dass die mechanischen Wellenbewegungen das Öl auf natürliche Weise zersetzen und der Ölfilm nicht die Küste erreiche. Das sei zwar richtig, bestätigt der Greenpeace-Experte, aber es ist genau der falsche Weg. Wenn jemand einen Schaden verursacht, muss er auch dafür aufkommen und ihn beseitigen.

Mangelnde Informationspolitik

Dieser Vorfall in der Nordsee zeigt deutlich, dass schwere Ölunfälle auch bei uns möglich sind, stellt Feddern klar. Er kritisiert die mangelnde Informationspolitik: Die Betreiber müssen endlich verpflichtet werden, ihre Notfallpläne für derartige Unfälle öffentlich darzulegen, fordert Feddern. Nur so sei überprüfbar, ob wirklich alles Erdenkliche unternommen werde, um Katastrophen größeren Ausmaßes zu verhindern. Die betroffene Plattform Gannet Alpha bohrt in etwa 100 Meter Tiefe. Sie liegt rund 180 Kilometer vor der schottischen Küste. Das Ölfeld beutet Shell gemeinsam mit dem Ölkonzern Esso, der zum US-Riesen Exxon gehört, aus.

Ein öffentlicher Notfallplan fehlt allerdings auch bei den geplanten Testbohrungen in der Arktis. Shell hat im August erst den Zuschlag bekommen und darf 2012 rund 30 Kilometer vor der Küste der North Slope von Alaska bohren. Ein gefährliches Unterfangen, denn eine Ölkatastrophe im besonders sensiblen Ökosystem der Arktis wäre kaum händelbar.

Schleichende Verschmutzung ist Alltag

Der Shell-Unfall ist keine Ausnahme: Immer wieder kommt es auf den rund 400 Förderanlagen in der Nordsee zu Zwischenfällen, weil die teils veraltete Technik versagt, erklärt Feddern. Im Schnitt ereignen sich in Nordsee und Nordatlantik jährlich etwa 450 Unfälle - Tendenz steigend. Genau überprüfen kann das niemand, denn die Plattformbetreiber müssen nicht jeden Unfall melden. Aber auch ohne Zwischenfall sorgt die Ölindustrie für eine schleichende Verschmutzung der Meere. Greenpeace dokumentiert bei Überflügen regelmäßig kleinere Ölteppiche um die Bohrplattformen. Der Grund: Schon durch den ganz alltäglichen Förderbetrieb gelangen jährlich etwa 10.000 Tonnen Öl in die Nordsee.

#16 Ölleck in der Nordsee - GreenBites, der Podcast von Greenpeace

  • Logo von Royal Dutch Shell

    Shell-Logo

    Überspringe die Bildergalerie
Ende der Gallerie
Kurzinfo: Abschied vom Öl [PDF 3,7 MB]

Kurzinfo: Abschied vom Öl [PDF 3,7 MB]

Anzahl Seiten: 6

Dateigröße: 3.61 MB

Herunterladen
Datum
Rally against Corporations Trying to Sue Critics into Silence in Oakland

Mehr zum Thema

zwei Schlauchboote mit Aktivist:innen auf der Ostsee, im Hintergrund das Schiff
  • 16.12.2024

Gefahr durch Schattenflotte: Warnemünde, Fehmarn und Damp wären im Falle einer Ölpest bedroht. Greenpeace-Aktiviste protestieren bei der Umweltminister:innenkonferenz gegen die gefährliche Fracht.

mehr erfahren
Brennender Tanker "Annika" von oben
  • 11.10.2024

Am Freitagmorgen geriet der Öltanker "Annika" vor der Ostseeküste in Brand, es drohte eine Umweltkatastrophe. Dieser Brand verdeutlicht einmal mehr, wie sehr Tanker die sensiblen Ökosysteme bedrohen.

mehr erfahren
Nach der Havarie des Öltankers Prestige vor der galicischen Küste Spaniens

Öltanker transportieren mehr als die Hälfte des geförderten Rohöls über die Weltmeere. Obwohl die Schiffe seit 2010 Doppelhüllen haben müssen, passieren immer wieder Unfälle.

mehr erfahren
Rally against Corporations Trying to Sue Critics into Silence in Oakland
  • 04.09.2024

Die Geschichte der SLAPP-Klage von Energy Transfer gegen Greenpeace in den USA - und welche Rolle sie weltweit spielt

mehr erfahren
In einem letzten Gefecht kletterten die Demonstranten auf den 125 m langen Fackelausleger der Plattform und schwenkten ein Transparent mit der Aufschrift „Bohren stoppen“. Fangen Sie an zu bezahlen.“ Unterdessen segelten fünf weitere Aktivisten unter der Leitung von Yeb Saño, Executive Director von Greenpeace Südostasien, an Bord des 8 Meter langen Tanker Tracker-Bootes von Greenpeace Nordic aus, um das 51.000 Tonnen schwere White Marlin-Schiff abzufangen, das von Shell unter Vertrag genommen wurde, als es
  • 09.11.2023

Vergangenen Februar protestierten Greenpeace-Aktivist:innen friedlich auf einer Shell-Ölplattfrom gegen Umweltzerstörung. Shell legt nun Einschüchterungsklage vor.

mehr erfahren
Canadian Activists Want 'Arctic 30' Home for the Holidays

2013 werden 28 Greenpeace-Aktivist:innen und zwei freie Journalisten für ihren friedlichen Protest gegen Ölbohrungen vor der Küste Russlands wochenlang inhaftiert. "Zu unrecht", urteilt die EU 2023.

mehr erfahren