Chemiekonzern beantragt Patente in mehr als hundert Ländern
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Der Agrarchemie-Konzern Syngenta ist unter anderem für seine Beteiligung am Golden Rice Project bekannt. Dieser gentechnisch veränderte Reis soll nach Angaben der Industrie dazu dienen, die Folgen von Mangelernährung in Entwicklungsländern zu bekämpfen, speziell den Vitamin-A Mangel. Syngenta behauptet öffentlich, keine kommerziellen Absichten mit diesem Projekt zu verbinden. Allerdings ergeben jüngste Recherchen von Greenpeace ein ganz anderes Bild: Syngenta hat nicht nur ein Patent auf die neue Version des sogenannten Golden Rice angemeldet, sondern auch umfassende Patente auf wesentliche Teile des Genoms von Reis und anderer Nutzpflanzen. Mit diesen Patenten versucht Syngenta wesentliche Kernbereiche der Pflanzenzüchtung weltweit für sich zu monopolisieren.
Der Agrarchemiekonzern Syngenta ist unter anderem für seine Beteiligung am Golden Rice Project bekannt. Dieser gentechnisch veränderte Reis soll nach Angaben der Industrie dazu dienen, die Folgen von Mangelernährung in Entwicklungsländern zu bekämpfen, speziell den Vitamin-A Mangel. Syngenta behauptet öffentlich, keine kommerziellen Absichten mit diesem Projekt zu verbinden. Allerdings ergeben jüngste Recherchen von Greenpeace ein ganz anderes Bild: Syngenta hat nicht nur ein Patent auf die neue Version des sogenannten Golden Rice angemeldet, sondern auch umfassende Patente auf wesentliche Teile des Genoms von Reis und anderer Nutzpflanzen. Mit diesen Patenten versucht Syngenta wesentliche Kernbereiche der Pflanzenzüchtung weltweit für sich zu monopolisieren.
Aktuelle Veröffentlichungen des Gentechnikkonzerns Syngenta über eine neue Generation des sogenannten Golden Rice werden von Stellungnahmen begleitet, in denen der humanitäre Charakter des Projektes betont wird: Syngenta hat keine kommerziellen Interessen am Golden Rice. (...) Die Gen-Konstrukte des Golden Rice Nummer 2 werden der weiteren Forschung kostenlos zur Verfügung gestellt, unter bestimmten Bedingungen, gemäß Lizenzvertägen.
Dieses Statement ist in sich widersprüchlich: Einerseits wird behauptet, es gäbe keine kommerziellen Interessen. Auf der anderen Seite müssen aber Lizenzverträge unterschrieben werden, wenn der Reis von anderen Forschern genutzt werden soll.
Patent auf Gen-Reis aus humanitären Gründen?
Tatsächlich zeigt jetzt eine Recherche von Greenpeace, dass Syngenta sich bereits um ein weltweites Patent auf die neue Generation des Golden Rice bemüht. Das Patent mit der Nummer WO 04/085656 wurde im März 2004 angemeldet. Unter Nutzung des Internationalen Patent Cooperationsvertrages (PCT), wurde das Patent nicht nur in Europa und Nord Amerika, sondern insgesamt in über 100 Ländern angemeldet, darunter auch Indien, China, Phillippinen, Vietnam sowie 16 afrikanische Länder. Warum beantragt der Chemiekonzern Syngenta ein weltweites Monopol, das die Technologie, alle entsprechenden Pflanzen sowie das entsprechende Saatgut umfasst, wenn er keine kommerziellen Interessen an dem Projekt hat? Selbst wenn Syngenta einigen Wissenschaftlern unter bestimmten Bedingungen freien Zugang gewährt, ändert das nichts daran, dass ein Patent grundsätzlich nichts anderem dient als dem Schutz kommerzieller Interessen.
Schon vor Veröffentlichung der zweiten Generation des sogenannten Golden Rice behauptete Syngenta, das Saatgut für den genmanipulierten Reis werde an kleine Landwirte in den Entwicklungsländern umsonst abgegeben. Doch auch auf die erste Generation des Gen-Reis wurde ein Patent angemeldet. So hält sich Syngenta jederzeit die Möglichkeit offen, Landwirte und Züchter zur Kasse zu bitten.
Gerade Golden Rice war von Anfang an ein erschreckendes Beispiel dafür, wie sehr Reispflanzen bereits in einem Dickicht von Patentanträgen verstrickt sind. Als Ingo Potrykus, der als eigentlicher Erfinder dieses Gen-Reis gilt, mit seinem Projekt begann, behinderten bereits rund 70 Patente von 32 verschiedenen Patentinhabern die Forschungsarbeiten.
Vor diesem Hintergrund ist es offensichtlich, dass das Projekt Golden Rice sehr wohl aus geschäftlichem Interesse betrieben wird und – wie die folgenden Beispiele deutlich machen – dem Wunsch des Biotech-Konzerns Syngenta entspricht, seine Monopole so weit wie möglich über alle Stufen der Saatgut- und Lebensmittelproduktion auszuweiten.
Die Mega-Genom Patentanträge des Agrarkonzerns Syngenta
Syngenta ist der weltweit größte Produzent für Pestizide und und der drittgrößte Produzent von Saatgut mit Umsätzen von 7,1 Milliarden US Dollar und einem Vorsteuergewinn von 466 Millionen US Dollar im Jahre 2004. In Europa hat Syngenta mindestens 65 Patente im Bereich der Pflanzenzucht erhalten und über 250 weitere Patente angemeldet.
Gemäß einer Studie aus England aus dem Jahr 2003, ist Syngenta verantwortlich für erhebliche Schwierigkeiten bei der Forschung am Genom von Reis-Pflanzen. Die Firma, die zusammen mit der US Firma Myriad ein Projekt zur Analyse des Erbgutes von Reis gestartet hat, gewährte Forschern nur unter bestimmten Bedingungen und in eingeschränktem Umfang Zugang zu den Ergebnissen aus diesem Projekt. Sir John Sulston, Träger des Nobelpreises für Medizin und Mitbegründer des Human Genome Projekts kritisierte Syngenta für diese Praxis. Er fordert, dass die Informationen in Datenbanken öffentlich verfügbar gemacht werden sollen.
Syngentas Analyse des Reisgenoms wurde bereits im Jahr 2001 beendet, doch die vollständigen Daten wurden erst 2004 veröffentlicht, und erst nachdem ein Forschungsteam in China ebenfalls entsprechende Daten vorlegte. Es scheint, als hätte Syngenta die Zeit bis zur Veröffentlichung der Daten in aller Ruhe genutzt, um eigene kommerzielle Absichten zu verfolgen: Die Firma beantragte inzwischen unglaublich umfassende Patentanträge auf das Genom der Reispflanzen. Diese Patente können für Forschung, Züchtung, die Existenz von Landwirten und die Sicherung der Welternährung erhebliche negative Folgen haben.
Die Patentstrategie von Syngenta kann anhand mehrerer globaler Patentanmeldungen dokumentiert werden, die ebenfalls wie der Golden Rice in über 100 Ländern, erfolgten. Es existiert eine regelrechte Patentfamilie, zu der drei ungewöhnlich große Patentanmeldungen gehören, die mehr als 1000 Gen-Sequenzen umfassen. Die meisten beziehen sich auf Reis, zum Teil auch auf Mais. Die Methode, die zur so genannten Erfindung dieser Gene angewandt wurde, bestand zunächst in der Recherche in bereits bestehenden Datenbanken und Publikationen. In einem weiteren Schritt wurde die Aktivität dieser Gene in Pflanzen unter bestimmten Bedingungen wie Wachstum, Stress und Krankheit gemessen, um herauszufinden, welche der beschriebenen Gene wirtschaftlich besonders interessant sein könnten. Die dabei angewandten Methoden waren ebenfalls bekannt.
Die Patentanmeldungen von Syngenta beruhen also keineswegs auf Erfindungen, sondern auf der Beschreibung natürlicherweise vorkommender Gene mit bekannten Methoden. Letztlich sind diese Anträge nichts als ein Trick, um große Teile des Erbgutes von Nutzpflanzen in Besitz zu nehmen. Folgende drei Patente wurden im Juni 2002 angemeldet:
- *0WO 03/ 008540 umfasst die Gene, die für Pflanzen unter Stresseinwirkung wichtig sind,
- *1WO 03/000905 umfasst die Gene, die den Nährwert der Pflanzen regulieren,
- *2WO 03/000906 umfasst die Gene, die die natürliche Abwehr von Krankheiten steuern.
Zusätzlich werden alle gentechnisch veränderten Pflanzenarten beansprucht, in die eines oder mehrere dieser Gene eingebaut werden könnten. In den Patentschriften werden deswegen auch seitenweise Pflanzennamen aufgeführt, die alle bekannten Arten von der Ananas bis hin zu Zinnien umfassen. Als wichtigste Pflanzenarten werden dabei Reis, Mais, Weizen und anderes Getreide genannt.
Die gravierendsten Auswirkungen dieser Patente sind durch die Ansprüche auf die über 1000 Gen-Sequenzen zu befürchten, deren Verwendung zu allen Zwecken der Züchtung, mit und ohne Gentechnologie monoplisiert werden soll. Die unglaubliche Reichweite der Patente basiert auf folgenden Formulierungstricks in den Patentschriften:
Uneingeschränkte Ansprüche auf jegliche Funktionen der Gene
Die beanspruchten Gene werden hinsichtlich ihrer Verwendung nicht präzise benannt, sondern sie werden durch eine ganze Reihe möglicher biologischer Funktionen beschrieben. Obwohl die genaue Funktion der Gene tatsächlich gar nicht bekannt ist, werden gleichzeitig auch alle Produkte dieser Gene (Eiweißstoffe) beansprucht.
Monopolisierung aller ähnlichen Gen-Abschnitte
Beansprucht werden nicht nur die im Patent aufgelisteten Gene, sondern alle Gene, die eine ähnliche Struktur und Funktionen haben und in Reis oder anderen Pflanzenarten vorkommen. Sygenta will sich dabei die Tatsache zunutze machen, dass die Gen-Strukturen aller Nutzpflanzen große Ähnlichkeiten aufweisen. Wird also die Funktion eines Gens im Reis beschrieben, werden die Ansprüche gleichzeitig auf alle anderen Nutzpflanzen mit ähnlichen Genen ausgeweitet.
Normale Pflanzenzüchtung betroffen
Nicht nur die Verwendung der Gene zur gentechnischen Manipulation von Pflanzen soll monopolisiert werden, sondern auch die Funktion der Gene in ihrer natürlichen Umgebung. In allen drei Patentanmeldungen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch normale Pflanzen auf die jeweiligen Gene untersucht werden können und die Nutzung der Gene auch für die normale Züchtung patentiert werden soll. Relevante Züchtungsverfahren wie markergestützte Selektion und Genkartierung werden in den Ansprüchen genannt. Diese Methoden werden in der normalen Pflanzenzüchtung oft eingesetzt, ohne die Pflanzen dabei gentechnisch zu verändern. Ansprüche die auf diese konventionellen Züchtungsverfahren gerichtet sind, können Landwirte und Züchter am Zugang und Gebrauch von Saatgut massiv behindern. Mit diesen Patentanmeldungen geht es Syngenta nicht um den Schutz eigener Erfindungen, sondern um die weltweite Kontrolle und Inbesitznahme der wichtigsten Abschnitte des Genoms aller Nutzpflanzen und deren Verwendung bei Züchtungen. Obwohl wissenschaftlich die komplexe Wirkung der beanspruchten Regulationsgene noch unerforscht ist, will Syngenta hier alle Funktionen und alle Anwendungen der betroffenen Gene monopolisieren.
Es scheint, als wisse Syngenta ganz genau, dass derartige Patente nicht gerechtfertigt sind und auch in der Öffentlichkeit nicht verteidigt werden können. Nachdem die Organisation ETC aus Kanada im Januar 2005 ein ähnliches Patent derselben Patentfamilie an den Pranger gestellt hatte (W03/000904), kündigte Syngenta schon sehr bald an, dass diese spezielle Patentanmeldung fallen gelassen werde.
Wie man mit Hilfe einer Datenbank Gene und Saatgut erfinden kann
Ein weiteres gutes Beispiel für die beabsichtigte Monopolisierung des Reis-Genoms ist die Welt-Patent Anmeldung WO 03/048319. In diesem Patent wird ausdrücklich von der speziellen Datenbank Gebrauch gemacht, die von Syngenta mit Hilfe der Firma Myriad zur Entschlüsselung des Genoms der Reispflanzen aufgebaut worden war (siehe oben).
Es gibt keinen Zweifel daran, dass dieses Projekt von Anfang an auch dazu diente, entsprechende Patente auf das Reisgenom anzumelden: 2001 erhielt Myriad Genetics eine Extraprämie über drei Millionen US Dollar von Syngenta, weil das Projekt sechs Monate früher beendet werden konnte als geplant. Zudem soll Myriad 50 Prozent des Gewinns zustehen, der aus dem Projekt resultiert.
Die einzige so genannte Erfindung in der Patentanmeldung WO 03/048319 besteht im Vergleich der von Myriad gelieferten Daten mit anderen bereits bestehenden Datenbanken, in denen Gen-Abschnitte verschiedener Nutzpflanzen enthalten sind. Alle Reis-Gene, bei denen sich nach diesem Datenvergleich ein Hinweis auf Stress – oder Krankheitsresistenz, erhöhte Ernte und bessere Nahrungsmittelqualität ergab, werden zur Erfindung der Firma Syngenta erklärt. Ebenso werden wie in den schon geschilderten Fällen, alle ähnlichen Gene in anderen Nutzpflanzenarten mitbeansprucht, ebenso ihre Verwendung in der normalen Pflanzenzucht oder der gentechnischen Manipulation von Saaten.
Weltweite Bedenken gegen Patente auf Saatgut
In den vergangenen zehn Jahren fand in der Gentechnik – parallel zu einer Ausweitung des Patentschutzes beim Saatgut – ein umfassender Konzentrationsprozess statt. Gewinner dieser Entwicklung waren einige wenige Agrarkonzerne: DuPont, Monsanto, Syngenta und Bayer. Allesamt Firmen, die originär aus dem Chemiegeschäft stammen und jetzt ganz oben auf der Liste der transnationalen Saatgutmultis stehen. Damit sind sie Big Player im Millionenspiel der Patentstreitigkeiten, in dem nur überleben kann, wer Konkurrenten aufkauft und sich zusätzliche Exklusivrechte sichert.
Bis Ende 2004 erteilte allein das Europäische Patentamt (EPA) in München über 400 Patente auf Pflanzen und Saatgut. Einige Tausend Patentanträge warten beim Amt auf ihre Erteilung. Weltweit gibt es bereits weit über 1.000 Patentansprüche auf die wichtigsten Nahrungspflanzen wie Mais, Soja, Reis oder Weizen.
Vor den Folgen der Patentierung vor allem für die ärmeren Länder warnt auch die Rockefeller Foundation (Stiftung) in New York. Gary Toenniessen, der Direktor für Food security der Rockefeller Foundation wird in der Zeitschrift Nature mit einer sehr pessimistischen Einschätzung zitiert: Wir befinden uns auf dem selben Weg, den vor einigen Jahrzehnten bereits die öffentliche Forschung zu Impfstoffen und Medikamenten eingeschlagen hat.
Auch die Vereinten Nationen (UNEP) schlagen sich auf die Seite der Kritiker:
Neue Patentgesetze berücksichtigen kaum die Kenntnisse der indigenen Bevölkerung, die damit den Ansprüchen von außen schutzlos ausgesetzt ist. Diese Gesetze ignorieren die kulturelle Vielfalt bei der Entwicklung von Innovationen und die Teilhabe daran. Ebenso wenig berücksichtigen sie die vielfältigen Ansichten darüber, was Gegenstand von Eigentumsansprüchen sein kann und darf: von Pflanzensorten bis zum menschlichen Leben. Das Ergebnis ist ein stillschweigender Diebstahl von über Jahrhunderte erworbenem Wissen, der von den entwickelten Ländern an den Entwicklungsländern begangen wird.
Eine Übersicht dieser Entwicklung findet sich im Bericht Integrating Intellectual Property Rights and Development Policy der UK Commission on Intellectual Property Rights aus dem Jahr 2002, die den Entwicklungsländern empfiehlt, Patente auf Pflanzen und Saatgut gänzlich zu verbieten.
Greenpeace, Swiss Aid und die Erklärung von Bern fordern:
- Keine Patente auf Leben.
- Ein weltweites Verbot der Patentierung von Saatgut.
- Syngenta muß die Patentanmeldungen auf das Erbgut von Reispflanzen zurückziehen.