EU-Abstimmung über Wiederzulassung von Glyphosat: Kehrtwende in der Risikobewertung?
- mitwirkende Expert:innen Christiane Huxdorff
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Update 27. November 2017
Ausgerechnet Deutschland war das Zünglein an der Waage: Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) stimmte in der EU für eine weitere Zulassung des Pestizids Glyphosat – gegen den Willen von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Der Koalitionsvertrag sieht bei Uneinigkeit der beiden Ressorts eine Enthaltung Deutschlands vor. Eigentlich. Nun ist nicht nur schlechte Stimmung bei der SPD, sondern das Gift auch weitere fünf Jahre auf den Äckern.
„Die drohenden Klagen mächtiger Konzerne wie Bayer und Monsanto haben für viele Politiker offenbar mehr Gewicht als der Wille des EU-Parlaments und der großen Mehrheit der Europäer“, sagt Christiane Huxdorff, Greenpeace-Expertin für Landwirtschaft. „Die Verlängerung ist eine schlechte Nachricht für die Artenvielfalt, das Vorsorgeprinzip und die längst überfällige Agrarwende.“
Wie stark die Chemieindustrie mitmischte, enthüllten im vergangenen Monat internationale Medien. So kam heraus, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung (BFR) in seinem Bericht an die EU weite Strecken aus Monsanto-Studien abgeschrieben hatte – dem Hersteller des Gifts.
„Die kommende Bundesregierung muss die fatale Entscheidung der EU durch ein nationales Verbot in Deutschland rückgängig machen“, sagt Huxdorff. „Die ökologische Landwirtschaft zeigt längst, dass es nachhaltige Alternativen zu Glyphosat gibt.“
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Update vom 29. Juni 2016
Die EU-Kommission hat die umstrittene Zulassung für Glyphosat um 18 Monate verlängert. Innerhalb dieser Zeit soll eine neue Bewertung der Europäischen Chemikalienagentur durchgeführt werden. Diese soll klären, ob der Wirkstoff Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend einzustufen ist.
„Die EU-Kommission hat sich von der Agrarlobby einschüchtern lassen und hat gegen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger entschieden", sagt Christiane Huxdorff, Umweltwissenschaftlerin und Greenpeace-Expertin für Landwirtschaft. "Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hat mit seiner Enthaltung den Weg zu dieser Entscheidung geebnet. Er sollte aufhören, strittige Fragen an die EU zu delegieren. Stattdessen muss er endlich Verantwortung übernehmen und Glyphosat national verbieten.“
Update vom 24. Juni 2016
Und wieder keine Entscheidung: Bei der Abstimmung über die Zulassungsverlängerung von Glyphosat im EU-Berufungsausschuss hat sich Deutschland erneut enthalten; der Grund sind unterschiedliche Einschätzungen von SPD und Union zu dem umstrittenen Pflanzengift. Eine qualifizierte Mehrheit kam somit wieder nicht zustande.
„Mit der SPD nimmt zumindest eine Hälfte der Bundesregierung die Sorgen und Ängste der Bevölkerung gegenüber Glyphosat ernst“, sagt Christiane Huxdorff, Umweltwissenschaftlerin und Greenpeace-Expertin für Landwirtschaft. „Sie hat mit ihrer Ablehnung ein deutsches Ja zum Pflanzengift verhindert.“
Nun wird erwartet, dass die EU-Kommission die Zulassungsverlängerung für weitere 18 Monate noch im Juni beschließt, voraussichtlich schon am kommenden Montag. Innerhalb dieses Zeitraums, also bis Ende 2017, wird die Europäische Chemikalienagentur Glyphosat abschließend bewerten.
„Die Mehrheit der Menschen will Lebensmittel, die ohne Gifte wie Glyphosat angebaut werden“, erklärt Huxdorff; das zeigt auch eine Umfrage, die Greenpeace in Auftrag gegeben hat. „Die Bundesregierung muss den Wunsch der Bevölkerung endlich respektieren und Glyphosat in Deutschland verbieten.“
Update vom 6. Juni 2016:
Die EU-Mitgliedsstaaten konnten sich heute wieder nicht einigen, ob das Pestizid Glyphosat erneut zugelassen werden soll. Deutschland hatte sich bei der Stimmabgabe enthalten. Damit verschiebt die EU die Entscheidung ein weiteres Mal.
„Die heutige Abstimmung im EU-Ausschuss ist ein Verrat am europäischen Vorsorgeprinzip“, kommentiert Christiane Huxdorff, Expertin für Landwirtschaft bei Greenpeace die uneindeutige Haltung der EU. „Wirkstoffe wie das vermutlich gesundheitsschädliche Glyphosat dürften nach diesem Prinzip keine Zulassung erhalten, bis ihre Unschädlichkeit zweifelsfrei nachgewiesen ist. Doch anstatt die Grundpfeiler europäischer Politik zu stützen, geht die Kommission vor einer Industrie in die Knie, die allein in Deutschland mit Pflanzengiften knapp 1,6 Milliarden Euro umsetzt.“
Während sich die Agrarindustrie mit Glyphosat die Bilanzen versilbert, fürchten Verbraucher einen Preisanstieg für pestizidfrei produzierte Lebensmittel. Dabei fallen die Mehrkosten in der Produktion eher gering aus. Für ein Kilogramm Weizen würden sie um maximal 1,25 Cent steigen, für ein Kilogramm Äpfel um 3,72 Cent.
Update vom 19. Mai 2016:
Heute wurde die für diese Woche in Brüssel geplante Abstimmung über die weitere Zulassung von Glyphosat verschoben. Die Bundesregierung ist noch immer zerstritten: Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine weitere Zulassung unterstützt, haben sich die SPD-Minister dagegen ausgesprochen. Bei der Abstimmung würde sich Deutschland folglich enthalten – eine qualifizierte Mehrheit käme derzeit nicht zustande.
„Die Gesundheitsrisiken des Pflanzengifts Glyphosat sind nach wie vor ungeklärt; die Bundesregierung drückt sich vor der konsequenten Anwendung des Vorsorgeprinzips“, kritisiert Christiane Huxdorff, Umweltwissenschaftlerin und Greenpeace-Expertin für Landwirtschaft. „Eine weitere Zulassung ist unvereinbar mit dem europäischen Verbraucherschutz.“
Die EU-Staaten haben sich nun vertagt, um über den künftigen Einsatz des Pflanzengifts zu entscheiden. Doch bis Ende Juni muss eine Beschluss fallen, denn dann läuft die bestehende Zulassung aus. Huxdorff fordert. „Bis zur tatsächlichen Abstimmung muss die Bundesregierung sich klar gegen Glyphosat aussprechen.“
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Wird das umstrittene Pflanzengift Glyphosat künftig weiterhin auf europäischen Äckern versprüht? Darüber entscheiden die EU-Mitgliedsstaaten noch im Verlauf dieser Woche. Gestern nun hat sich das Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR), eine Gruppe aus Experten von Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) sowie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Vereinten Nationen, zu Wort gemeldet: ein Gremium, das wegen seiner Nähe zur Industrie kritisiert wird. Es hat ein weiteres Risiko-Gutachten zu Glyphosat abgegeben. Wenig erstaunlich, dass es sich darin gegen die Einschätzung der Krebsexperten der WHO stellt, die das Totalherbizid als wahrscheinlich krebserregend eingestuft haben. Allerdings versucht das JMPR, die von realistischen Rückstandsmengen ausgehenden Gesundheitsgefahren zu bewerten. Die Krebsagentur der WHO hingegen schätzt die Eigenschaften der bewerteten Substanz ein. Dabei gilt in jedem Fall: Für krebserregende Stoffe gibt es keine sicheren Grenzwerte – jede noch so kleine Menge kann die Krankheit prinzipiell auslösen.
Mit der Einschätzung des JMPR ändert sich grundsätzlich nichts: Weiterhin ist hoch umstritten, wie gefährlich Glyphosat tatsächlich ist. „Als unbedenklich kann das Gift ganz bestimmt nicht gelten“, warnt Christiane Huxdorff, Umweltwissenschaftlerin und Greenpeace-Expertin für Landwirtschaft. Denn: Die von dem Herbizid ausgehenden Umweltgefahren sind sicher belegt. Durch diese Erkenntnis steht das in Europa geltende Vorsorgeprinzip der Wiederzulassung von Glyphosat im Weg: Es schreibt vor, dass Gefahren für Mensch und Umwelt verhindert werden müssen, selbst wenn der letzte Beleg für eine Schädlichkeit noch aussteht.
Umweltministerin dagegen, Landwirtschaftsminister dafür
Am Mittwoch oder Donnerstag dieser Woche werden die EU-Mitgliedsstaaten in Brüssel nun darüber entscheiden, ob Glyphosat wieder zugelassen wird. Deutschlands Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat sich zu dem Thema erst kürzlich positioniert. Sie sagte, dass die SPD geführten Ministerien sich gegen eine Wiederzulassung stellen werden, da die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Mittels nicht zweifelsfrei geklärt ist. Dies steht im Gegensatz zu der Position von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). Er hält den Wirkstoff für ungefährlich und will daher für die Wiederzulassung stimmen.
Läuft die Abstimmung in Brüssel aufgrund der unterschiedlichen Positionen hierzulande auf eine deutsche Enthaltung hinaus, könnte die EU-Mehrheit für die Wiederzulassung wackeln. Offen ist noch, ob und wie sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in die Debatte einmischt – und ob sie vielleicht die Zustimmung Deutschlands zur Zulassung durchsetzt.
Entscheidung im Sinne der Menschen
Vor einer solchen Entscheidung warnt Christiane Huxdorff: „Die Landwirtschaft hat sich abhängig gemacht von dem Totalherbizid, das zuverlässig alle Pflanzen beseitigt, auf die es ausgebracht wird“, sagt sie. „Aber die Leitlinie in der Agrarwirtschaft muss wieder sein, dass sämtliche biologischen, mechanischen und kulturtechnischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, bevor Pestizide zum Einsatz kommen. Die Alternativen sind zwar teurer. Aber sie sind ohne Risiken und Nebenwirkungen für Mensch und Umwelt.“
Denn ein Agrarsystem, das allein auf Billigproduktion setzt und dabei riesige Mengen Pestizide mit unkalkulierbaren Risiken für Mensch, Tier und Boden einsetzt, macht Bauern und Umwelt gemeinsam zu Verlierern. Deshalb fordert Greenpeace, dass der Ackerbau ohne Glyphosateinsatz und nicht-chemische Verfahren des Pflanzenschutzes verpflichtender Teil der landwirtschaftlichen Ausbildung, Forschung und Beratung werden muss. Nur so können die Weichen hin zu einer umwelt- und klimaschonenden Agarwirtschaft gestellt werden. Es geht um die Gesundheit von Landwirten, Nutztieren und Konsumenten. Deshalb muss Bundeskanzlerin Merkel bei dieser so wichtigen Entscheidung um die Wiederzulassung von Glyphosat im Sinne der Menschen entscheiden – und nicht zum Vorteil der Industrie.