Greenfreeze
Chronik des ersten FCKW-freien Kühlschranks
- Hintergrund
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"Der Greenfreeze hat eine ganze Branche revolutioniert. Heute ist er Standard. Mit unserer Kampagne haben wir nicht nur aufgezeigt, dass F-Gase die Ozonschicht und das Klima zerstören, wir haben auch bewiesen, dass sie schlicht überflüssig sind", meint Wolfgang Lohbeck, der für Greenpeace den Greenfreeze auf den Weg brachte.
"Ozonkiller" FCKW
Jahrzehntelang wurde die Ozonschicht in 20 Kilometern über der Erde immer mehr zerstört. Das ist nicht nur eine Gefahr für das natürliche Gleichgewicht, sondern auch eine direkte Bedrohung für die Menschen. Die Ozonschicht ist durchlässiger und so gelangen mehr schädliche UV-Strahlen von der Sonne auf die Erde. Für dem Menschen steigt das Risiko von Hautkrebs. Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) sind der Grund für die dünnere Ozonschicht und das Ozonloch. Das synthetische Gas wurde vor allem als Treibsubstanz in Spraydosen und als Kältemittel verwendet. 1987 wurden FCKW im Protokoll von Montreal verboten, allerdings mit extrem langen Übergangsfristen. Gleichzeitig wollte die chemische Industrie FKWs als Ersatzstoffe auf den Markt bringen, die zwar nicht die Ozonschicht zerstören, aber das Klima belasten. In vielen Kälte- oder Autoklimaanlagen wurde FCKW aber einfach weiterhin verwendet oder durch andere, ebenfalls schädliche FKW-Gase ersetzt. Das wollte Greenpeace nach einer jahrelangen Kampagne gegen die FCKW nicht zulassen.
Wolfgang Lohbeck machte sich auf die Suche nach technischen Lösungen, die sowohl FCKW als auch die neuen Klimakiller überflüssig machen - reine Kohlenwasserstoffe wie Propan oder Butan. In der Firma dkk Scharfenstein, eine ehemalige DDR-Firma (später Foron) fand Greenpeace einen technischen Partner, der die neue Idee umsetzte. Doch nun drohte die Treuhandanstalt, in deren Besitz die dkk war, diese zu liquidieren. Im Juli 1992 stellte Greenpeace und die dkk die neue Technik erstmals der Öffentlichkeit vor. "Wir hatten wütende Reaktionen der Chemieindustrie und von etablierten Kühlschrankherstellern. Mein Telefon stand nicht mehr still", erklärt Lohbeck.
Als Foron aber gegen alle Widerstände tatsächlich am 15. März 1993 die Produktion des Greenfreeze aufnahm, schwenkten alle deutschen, später auch die europäischen Hersteller auf die neue Technik um. Noch im gleichen Jahr schaffte der Greenfreeze den Sprung nach China. Heute funktioniert über die Hälfte aller neuen Kühlschränke weltweit nach der Greenfreeze-Technik.
Der Greenfreeze ist eine Erfolgsgeschichte. 1993 verließ der erste Kühlschrank dieser Art das Werk. Schon kurz darauf zogen die großen Hersteller nach und stellten auch ihre Geräte auf die neue Technologie um.
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Februar 1991
Auf der Haushaltsmesse Domotechnica in Köln wird Greenpeace auf die sächsische Firma dkk Scharfenstein aufmerksam, die ihre Kühlschränke als einzige Firma nicht mit FCKW, sondern mit pentangeschäumtem Polystyrol isoliert. Bei den von anderen Herstellern angekündigten angeblich FCKW-freien Geräten - als neues Kältemittel wird R134a gepriesen - sollen die Ozonkiller weiterhin in der Isolierschäumung verwendet werden. Das sächsische Unternehmen sieht im Greenpeace-Vorschlag, mit der Propan/Butan-Technik etwas ganz Neues auf den Markt zu bringen, eine Chance.
Juli 1992
Greenpeace investiert 26.000 Mark, damit dkk Scharfenstein zehn Prototypen des ersten FCKW- und FKW-freien Kühlschranks produzieren und testen kann. Wolfgang Lohbeck tauft ihn Greenfreeze. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Die Treuhand will die Firma dkk liquidieren; gleichzeitig geben die "Chlorreichen Sieben" der westdeutschen Kühlschrankhersteller - Bosch, Siemens, Liebherr, Miele, Electrolux, AEG und Bauknecht - eine "freiwillige Selbstverpflichtung" ab, FCKW durch R134a zu ersetzen und verkaufen ihre Kühlschränke als "Ökogeräte".
August 1992
Greenpeace startet eine breitangelegte Anzeigenkampagne für Greenfreeze und geht mit dem Kühlgerät kreuz und quer durch die Bundesrepublik auf Werbetour. Ziel ist, dkk Scharfenstein und Greenfreeze die Zukunft zu sichern und die Ökolüge der "Chlorreichen Sieben" zu entlarven. Die Werbungskosten von 100.000 Mark erweisen sich als gut angelegt: In nur vier Wochen gehen 65.000 Vorbestellungen ein, darunter Großbestellungen von Versandfirmen wie Neckermann. Die Treuhand muss von ihren Liquidationsabsichten Abstand nehmen, 540 Menschen behalten ihren Arbeitsplatz.
Erstmals hat Greenpeace ein Produkt mit allen Mitteln des modernen Marketings auf den Markt gebracht. Nicht alle Greenpeace-Fördererinnen und Förderer waren zu Beginn von dieser Strategie begeistert. Wieso "verkauft" ein gemeinnütziger Verein einen Kühlschrank? Doch das war ein Missverständnis: Greenpeace hat keinen einzigen Kühlschrank verkauft, sondern allein die dkk. Die Treuhand hatte zu Beginn der Aktion zwar süffisant vorgeschlagen, die "reiche Organisation" solle dkk doch übernehmen - ein Weg, den ein gemeinnütziger Umweltschutzverein schon aufgrund seiner Satzung und des Gemeinnützigkeitsgesetzes nicht einschlagen kann und will. Greenpeace hat an Greenfreeze keinen Pfennig verdient, alle Erlöse flossen direkt an dkk.
Oktober 1992
Greenpeace stellt seine Vorbestellungs-Aktion ein: Das vorläufige Ziel, der Erhalt von dkk Scharfenstein, ist erreicht. Greenfreeze funktioniert und findet Abnehmer. "Können oder wollen Sie nicht?" fragt Greenpeace daher in einer Anzeigenserie, die westdeutsche Hersteller zum Umstieg auf Propan/Butan auffordert. Die Branche reagiert pikiert: Das Ostprodukt sei explosiv und ein Stromfresser. Doch diese "Argumente" sind allzu durchsichtig: In jedem Greenfreeze steckt kaum mehr Gas als in einem Feuerzeug, und im Stromverbrauch bewegt sich der Ökokühlschrank bereits 1992 durchaus im Mittelfeld der Konkurrenzmodelle.
Februar 1993
Auf der Hausgerätemesse Domotechnica ist dkk Scharfenstein, inzwischen in "Foron" umbenannt, nicht mehr der einzige Anbieter FCKW- und FKW-freier Kühlgeräte. Die Verunglimpfungskampagne der "Chlorreichen Sieben" hat den Erfolg von Foron nicht stoppen können. Jetzt wollen einige unter ihnen den Sachsen die Schau stehlen. Bosch, Siemens, Liebherr und Miele haben erste Greenfreeze-Modelle im Sortiment und wollen darüber hinaus ihre gesamte Gerätepalette auf pentangeschäumtes
Isoliermittel umstellen - eine technische Revolution. AEG isoliert und kühlt seinen angeblichen Ökokühlschrank hingegen nach wie vor mit dem Klimakiller R134a. Grund für Greenpeace, den Daimler-Benz Ableger, der in ganzseitigen Anzeigen vollmundig erklärt, "Einer muss der erste sein", mit der Variante "Einer muss der letzte sein" auf der Messe zu empfangen.
Frühjahr 1994
Ein Jahr, nachdem die ersten großen Hersteller mit dem Umstieg begonnen haben, weiß nur Bauknecht nicht, was Kunden wünschen. Alle anderen führenden deutschen Elektrohersteller stellen ihre Geräte in Isolation und Kühlung auf Naturgase um. Damit ist endgültig Lohbecks Befürchtung vom Tisch, die auf der Domotechnica präsentierten Prototypen würden als Ökoalibi ein Nischendasein fristen. Das "Unmögliche" ist plötzlich möglich - in ganz Deutschland. Doch für das Greenfreeze-Team war seit Beginn der Kampagne klar: Der Ausstieg in Deutschland konnte nur ein erster Schritt sein. Denn die Zerstörung der Ozonschicht und des Klimas ist ein weltweites Problem. Was mit dem Weltklima und der Ozonschicht passiert, entscheidet sich zu einem guten Teil in China, Indien, Südostasien und Lateinamerika. Besonders in China spielt sich derzeit das gewaltigste "Wirtschaftswunder" der neueren Geschichte ab, mit einer atemberaubenden jährlichen Wachstumsrate von mehr als zwölf Prozent und einem unaufhaltsamen Drang nach klassischen Statussymbolen und westlicher Technik. Bis heute haben die wenigsten der 1,1 Milliarden Chinesen einen Kühlschrank, der Absatz von jährlich rund sechs Millionen (1993) wird in den nächsten Jahren gewaltig ansteigen. Schon früh richtete Greenpeace das Augenmerk auf diesen Markt.
Hier finden Sie mehr Informationen zu Greenfreeze und dessen Nachfolger SolarChill.
Trotzdem ist das Problem der fluorierten Gase nach wie vor nicht gelöst. Noch immer kommen neue FKW- und H-FCKW Substanzen auf den Markt und werden beispielsweise in Autoklimaanlagen eingesetzt. Die chemische Industrie hat erreicht, was sie erreichen wollte, so Lohbeck. Und sie verdient weiterhin gut an diesen Substanzen, die nach wie vor in Autoklimaanlagen, Kälteanlagen etc. eingesetzt werden. Erst wenn alle FCKW aus der Luft verschwunden sind, wird die Zerstörung der Ozonschicht enden. Das wird aber noch einige Jahrzehnte dauern.