Am 27. Juni 2015 geht das AKW Grafenrheinfeld vom Netz
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„Jeder Tag Atomkraft ist einer zu viel“, projizierten Greenpeace-Aktivisten im Juni 2011 auf deutsche Reaktorwände, auch in Grafenrheinfeld. Die Welt stand drei Monate nach der Atomkatastrophe in Japan unter Schock.
Doch die Botschaft gilt noch heute. Nur gut also, dass der bayerische Meiler am 27. Juni dieses Jahres und damit sogar fünf Monate früher vom Netz geht als vorgeschrieben. „Die Abschaltung ist ein großer Erfolg für die Anti-Atom-Bewegung, die jahrzehntelang unbeirrt für einen Atomausstieg gekämpft hat“, sagt Tobias Riedl, Greenpeace-Experte für Atomkraft. Allerdings geht der Reaktor nicht aus Sorge um die Sicherheit vom Netz, sondern aus Kostengründen.
Grafenrheinfeld hat eine Betriebsgenehmigung bis Ende 2015. Wollte E.ON als Betreiber diese Zeit ausnutzen, müsste das Unternehmen neue Brennelemente laden und dafür die Brennelementsteuer entrichten. Das lohnt sich für fünf Restmonate Betrieb nicht.
Jahrzehntelanger Protest
Dass Grafenrheinfeld 2015 überhaupt vom Netz geht, ist eine Folge des Super-GAU in Fukushima und der Anti-Atom-Proteste in Deutschland. Die schwarz-gelbe Regierung aus CDU/CSU und FDP hatte den Atomausstieg vor dem GAU gekippt und Laufzeitverlängerungen beschlossen – gegen den Willen der meisten Bundesbürger. Nach der Katastrophe in Japan war diese Politik nicht mehr zu halten. Der Widerstand in der Bevölkerung war zu groß.
Allerdings: “Bei der Freude über die Abschaltung darf nicht vergessen werden, dass uns die Atomindustrie mit ihren nuklearen Hinterlassenschaften ein tödliches Erbe aufbürdet, das immer noch für politischen Zündstoff sorgt“, so Riedl.
Altlast für 33.000 Generationen
Dieses Erbe wiegt 950 Tonnen. So schwer ist der hochradioaktive Müllberg, der durch den Betrieb des AKW Grafenrheinfeld angefallen ist. Und noch immer weiß niemand, wie man mit diesem gefährlichen AKW-Abfall umgehen soll, ohne die nächsten 33.000 Generationen zu gefährden. Von den 950 Tonnen wurden 391, entsprechend etwa 40 Castoren, in die Wiederaufarbeitungsanlage im französischen La Hague gebracht. Deutschland ist verpflichtet, diesen Müll zurückzunehmen. Der größte Teil lagert mittlerweile im Zwischenlager Gorleben.
Derzeit warten noch 21 Castoren mit Müll auch aus anderen deutschen Atomanlagen in der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield auf den Rücktransport. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) will diesen Atommüll auf die vier Bundesländer aufteilen, die ihn produziert haben. Bayern müsste demnach maximal neun Castoren aufnehmen. Doch der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) weigert sich.
„Das ist lächerlich“, sagt Riedl. „Wenn Seehofer keinen Atommüll in Bayern haben will, sollte er erst einmal die drei noch laufenden AKW abschalten. Diese produzieren pro Jahr die Atommüllmenge von neun Castoren.“