Tiefe Gräben und holpriger Neustart
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Nun sollen sie gemeinsam die Kriterien für einen Neustart erarbeiten. In der ersten Sitzung am Donnerstag meint Bundestagspräsident Norbert Lammert: "Es gibt gemütlichere Aufgaben."
Es ist eine "historische Chance", sagt die Vorsitzende Ursula Heinen-Esser (CDU). Lammert appelliert, möglichst im Konsens Empfehlungen abzuliefern - dann würden sie auch eher umgesetzt. Und er hoffe, dass dies für die Mitglieder keine Dauerbeschäftigung für ihre verbleibende Lebenszeit werde.
Die Kommission soll bis 2016 zum Beispiel festlegen, ob für ein Endlager sowohl Salz- und Ton- als auch Granitgestein in Betracht kommt. Besonders Norddeutschland bietet viele Optionen. "Über kein untersuchungswürdiges Gestein verfügen nur das Saarland, Rheinland-Pfalz und Berlin", heißt es in einer Greenpeace-Studie.
Die Zeit drängt. Am 11. November 2011 hatte Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) den Neustart ausgerufen, nachdem seit 1977 nur der Salzstock in Gorleben im Fokus stand. "Es gibt eine weiße Landkarte - kein Tabu", so Röttgen damals. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) forderte eine Bewegung aller Bundesländer: "Das Zeug muss ja irgendwo hin."
Dann folgte ein sehr zäher Prozess, bis im Juli 2013 endlich das Endlagersuchgesetz stand. Röttgens Nachfolger Peter Altmaier (CDU) bilanzierte: "Es war eine schwere Geburt, aber es war eine erfolgreiche Geburt." Nun müsse das Kind wachsen und gedeihen.
Doch das Kind, es gedieh nicht so recht. Noch immer ist unklar, wo die 26 ausstehenden Castor-Behälter aus der Wiederaufarbeitung im Ausland hin sollen. In das nahe dem Salzstock gelegene zentrale Zwischenlager Gorleben dürfen sie nicht mehr. Eine Konzession an Niedersachsen, um zu unterstreichen, dass keine Fakten mehr in Gorleben geschaffen werden. Umweltschützer argwöhnen, die neue Suche werde nur unternommen, um Gorleben dank eines Vergleichs mit anderen Optionen gerichtsfest als Endlager durchzudrücken.
Die Kommission sollte schon Anfang des Jahres starten, aus 24 Mitgliedern wurden 33. Umweltverbände wie Greenpeace zweifeln am ergebnisoffenen Charakter und boykottieren die Suche. Und weil man sich auch beim Vorsitz zerstritt, leiten Heinen-Esser und der Gorleben-Gegner Michael Müller (SPD) die Sitzungen im Wechsel.
In dem Gremium sitzen auf der einen Seite der frühere Vattenfall-Manager Bruno Thomauske, der an Gutachten zur Eignung Gorlebens mitgearbeitet hat, und der langjährige RWE Power-Vorstand Gerd Jäger. Und Umweltschützer wie Klaus Brunsmeier vom BUND, der fordert, dass Gorleben gänzlich herausfällt.
Die Debatte um eine Übertragung der Atomkraftwerke samt der Kostenrisiken bei Rückbau und Endlagerung in eine staatliche Stiftung zeigt: Alles ist ungeklärt. Keiner kennt die Kosten, hinzu kommen zehn Milliarden schwere Klagen der Konzerne gegen den Atomausstieg.
Und so schlug RWE-Chef Peter Terium kürzlich vor, sich mal zusammenzusetzen. 1,6 Milliarden Euro haben die Energiekonzerne bereits in Gorleben investiert. Sie betonen, bisher gebe es kein abschließendes Urteil, das Gorleben die Eignung abspricht. 2034 läuft die Genehmigung für das zentrale Zwischenlager Gorleben aus, dann muss das hoch radioaktive Material eigentlich irgendwo hin.
Zwei Milliarden soll die neue Suche mindestens kosten. Die Energiekonzerne halten sich bisher bedeckt, ob sie die Kosten übernehmen. Bis Ende 2014 könnten sie noch Verfassungsbeschwerde gegen den Neustart einreichen. Gerade erst musste Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Schlappe einstecken: Rund 2,2 Milliarden Euro Brennelementesteuer musste der Bund vorläufig zurückzahlen.
Wenn tatsächlich bis 2031 ein Endlagerstandort gefunden und von Bundestag und Bundesrat beschlossen ist, muss das Lager noch gebaut und der Atommüll eingelagert werden. Der Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz, Wolfram König, hält ein Endlager bis 2050 für kaum machbar. Eine Konstante in der Endlagerfrage seien falsche Zeitvorstellungen.