H&M bringt Recycling-Kollektion auf den Markt
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Kurzlebige Kleidung zu niedrigen Preisen – auf dieses Konzept setzt die Textilkette H&M als weltweit erfolgreichster Anbieter von Fast Fashion. Die Folge der schnellen Mode: Jedes Jahr werden allein in Deutschland mehr als 1,5 Milliarden Kleidungsstücke einfach weggeworfen. Aber inzwischen will zumindest H&M nachhaltiger werden. So verpflichtete sich das Unternehmen im Rahmen der Greenpeace-Detox-Kampagne dazu, in der Produktion langfristig auf schädliche Chemikalien zu verzichten - und liegt im Gegensatz zu anderen Firmen damit bisher im aufgestellten Zeitplan. Der aktuelle Recycling-Versuch des schwedischen Modekonzerns lässt allerdings noch zu wünschen übrig.
Recycling-Produktion in Billiglohn-Ländern
Seit 2013 können Kunden in H&M-Filialen Altkleider abgeben; nun recycelt das Unternehmen einige der aussortierten Teile für eine eigene Kollektion. 16 Jeans-Artikel im Used-Look sind ab heute weltweit erhältlich; sie bestehen zu 20 Prozent aus wiederverwerteter und zu 80 Prozent aus ökologischer Baumwolle.
Dafür gibt H&M die gesammelten Altkleider an den globalen gewerblichen Sammler I-Collect mit Sitz in der Schweiz. I-Collect sortiert die Textilien nach ihrem Zustand vor und sendet sie dann an Produktionsstätten weiter. Die befinden sich hauptsächlich in altbekannten Billiglohn-Ländern. „Hergestellt wird die Recycling-Kollektion in unseren Partner-Fabriken in Italien, Pakistan und China“, erklärt H&M-Pressesprecher Hendrik Alpen.
Kirsten Brodde, Greenpeace-Expertin für Textilien, lobt trotzdem H&Ms Bemühungen. „Besonders im Fast-Fashion-Sektor, in dem die meisten Textilien produziert werden, ist es wichtig, dass an Recycling-Programmen gearbeitet wird“, erklärt sie.
Konzept mit Schönheitsfehlern
Allein in diesem Jahr will der schwedische Konzern seine Anzahl an Kleidungsstücken mit Recycling-Anteil im Vergleich zu 2014 verdreifachen. Das selbsterklärte Ziel: Ein geschlossener Textilkreislauf, der durch weniger Müll den negativen Einfluss der Industrie auf die Umwelt verringert.
Doch schon die Präsentation der neuen Ware in den Filialen des schwedischen Textilkonzerns zeigt: Wo man die H&M-Karl-Lagerfeld- oder -Versace-Kollektion in den Fokus gerückt hat, wird die Recycling-Linie eher versteckt. Verstreut in den Damen-, Herren- und Kinderabteilungen finden sich einzelne Stelltische, auf denen die Artikel ausliegen – daneben winzige Schilder mit Hinweisen auf ihre Produktionsweise. Fragt man Verkäuferinnen nach Informationen, reagieren die ratlos.
Die geringe Menge an wiederverwerteten Materialien in den einzelnen Jeanswaren der neuen Kollektion bestätigt den ersten Eindruck: H&M ist weit davon entfernt, sein volles Nachhaltigkeitspotential zu nutzen. Die Begründung des Konzerns: Bei mehr als 20 Prozent Recycling-Anteil würde derzeit noch die Haltbarkeit der Textilien leiden. Brodde wiederspricht dem. Ihr zufolge begrenzt vielmehr das Design der Jeans ihre Haltbarkeit. Denn: Um dem Used-Look zu entsprechen, wurden die Textilien schon vor ihrem Verkauf modegerecht zerschnitten. „Jeans sind als Arbeiterkleidung eigentlich auf Zweckmäßigkeit, Robustheit und Uniformität angelegt“, erklärt Brodde. „Damit die Industrie aber große Stückzahlen verkaufen kann, müssen die Textilien fast kaputt sein – perfekt für die zweifelhafte Konsum-Kultur.“ Das finnische Ökomode-Label Nurmi zeigt, dass es anders geht: Hier sind schon heute unbeschädigte Jeans aus 100 Prozent Recycling-Material erhältlich.
Auch, dass H&M für abgegebene Altkleidung einen Rabatt von 20 Prozent auf neue Einkäufe gibt, ist mehr als fragwürdig. Das sorgt nämlich für einen steigenden Kleidungskonsum.
Modetrend Recycling
H&M ist nicht das einzige Unternehmen, das in den vergangenen Jahren das Recycling für sich entdeckt hat. Schon 2013 verarbeitete der Modekonzern Esprit in einer Kollektion Textilreste, die bei der Produktion anderer Kleidungsstücke entstanden. Das britische Einzelhandelsunternehmen Marks & Spencer sammelt weltweit in Filialen getragene Kleidung – die landet dann als Spende bei der Hilfsorganisation Oxfam.
Kirsten Brodde begrüßt den neuen Trend zum Recycling, sieht aber auch Gefahren - besonders bei der Weiterverarbeitung von Altkleidern durch die Modekonzerne. „Mit Schadstoffen behandelte Textilien können so recycelt und als nachhaltige Mode verkauft werden“, erklärt sie. Das Problem hierbei: „Nur wenn ein Kleidungsstück frei von gefährlichen Chemikalien produziert ist, kann es auch vernünftig recycelt werden.“ Ansonsten landen die giftigen Stoffe aus den Altkleidern nicht nur in der Recycling-Ware, sondern auch im Abwasser – ein Risiko, das auch H&M bei seiner Kollektion nicht ausschließen kann: „Wir können prinzipiell vor der Weiterverarbeitung der Altkleider nicht feststellen, ob sie unter Einsatz von Chemikalien produziert wurden“, so Pressesprecher Alpen.
Fast Fashion im Wandel
Aber: „Selbst wenn ein Unternehmen auf gefährliche Chemikalien verzichtet, sagt das nichts über die sozialen Standards bei der Produktion oder die Recycling-Bemühungen aus“, betont Brodde. Besonders Primark hat sich zwar zur Entgiftung verpflichtet, für den nachhaltigen Umgang mit Kleidung tut der Konzern aber bislang rein gar nichts. „Primark treibt die Discounter-Bewegung auf die Spitze und ermöglicht, für billiges Geld sehr viel zu kaufen“, kritisiert Brodde. „Dabei belastet die Produktion jeder noch so gut gemachten Jeans den Planeten.“
Wie sich nachhaltige Mode in der Fast-Fashion-Industrie entwickelt, hängt auch von ihrem Verkaufserfolg ab. Kirsten Brodde beobachtet die Entwicklung der H&M-Kollektion deshalb mit Interesse. Wirklich umweltschonend sei allerdings, Sachen lange zu tragen. Patina ergäbe sich dann wie von selbst. „Wenn man Jeans lange trägt, bekommen sie auch Sitzfalten und sehen gebraucht aus“, erklärt sie. Und falls das nicht schnell genug geht: „Dann kann man selbst Hand anlegen und die bizarren Kratzmuster und zerschlissenen Knie mit der Rasierklinge in die Jeans bringen. Das ist zumindest kreativ – und in jedem Fall individueller.“
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