
Nachhaltig leben
Alternativen zur Konsumgesellschaft
Politik und Wirtschaft haben beim Klima- und Ressourcenschutz die großen Räder zu drehen – aber tun das nur langsam. Als Gesellschaft können wir den Wandel beschleunigen, indem wir unser Verhalten ändern.
Selten getragene Klamotten quellen aus dem Kleiderschrank, ebenso der Plastikmüll aus dem gelben Sack. Und tut die neue Bohrmaschine wirklich not? Dass die Menschheit über ihre Verhältnisse lebt, führt uns Jahr für Jahr unerbittlich der Erdüberlastungstag vor Augen. Dabei stellt das Global Footprint Network eine recht simple Rechnung auf: Wie viele Ressourcen wie saubere Luft, Holz oder Wasser stellt die Erde pro Jahr zur Verfügung – und wie viel verbraucht die Menschheit tatsächlich? Aus dem beobachteten Missverhältnis zwischen Ressourcenverbrauch und Regeneration lässt sich jedes Jahr ein konkretes Datum ableiten: 2025 war der weltweite Earth Overshoot Day am 24. Juli. Ab dem Tag waren die Ressourcen aufgebraucht; den Rest des Jahres lebte die Bevölkerung sozusagen in einem ökologischen Schuldenberg der Erde. Und das Datum rückt jedes Jahr weiter nach vorne im Kalender. Deutschland gehört zu den weltweit größten Verbrauchern – und hatte seine jährlichen Ressourcen für das Jahr 2025 bereits am 3. Mai verprasst.
Seit Jahrzehnten verbrauchen wir ein Vielfaches der metallischen (zum Beispiel Lithium, Neodym, Kobalt), fossilen (z. B. Öl, Gas, Kohle), mineralischen (z. B. Phosphat, Fluorit, Grafit) und nachwachsenden (z. B. Holz, Soja, Palmöl) Ressourcen, die der Planet nachhaltig bereitstellen kann – also so zur Verfügung stellen kann, dass Ökosysteme keinen Schaden nehmen. Dass wir so nicht wirtschaften, lässt sich an den Warnungen aus der Wissenschaft ablesen, an Entwaldungsraten, am steigenden CO2-Pegel und vielem mehr.
Die weltweite Ressourcenhunger ist Haupttreiber für die multiplen Krisen unserer Zeit und dafür, dass wir außerhalb der planetaren Grenzen leben. So sind die globale Bereitstellung und Verarbeitung von Ressourcen verantwortlich für 90 Prozent des Verlustes der Artenvielfalt, 90 Prozent der Wasserknappheit und 55 Prozent der Treibhausgasemissionen. Würden alle Menschen so viele natürliche Rohstoffe verbrauchen und CO2 ausstoßen wie hierzulande, bräuchte die Menschheit knapp drei Erden.
Überkonsum auf Kosten anderer
Der nachhaltige Umgang mit unseren Ressourcen gehört zu den größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – und ihr volles Ausmaß wird erst nach und nach sichtbar. So ist Deutschlands Verantwortung für den weltweiten CO2-Ausstoß noch höher, als es offizielle Bilanzen darlegen. Denn etliche der für den deutschen Markt produzierten Konsumgüter wie Kleidung werden im globalen Süden hergestellt – und fließen dort in die CO2-Bilanz. In den nationalen Tabellen Deutschlands tauchen sie nicht auf und fallen somit auch aus der Rechnung, wenn es um zu erreichende Klimaziele geht.
Die Kosten für unseren Lebensstil tragen insbesondere die Menschen in den Rohstoffe produzierenden und exportierenden Ländern des Globalen Südens. Wenn etwa für unseren Überkonsum unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und fehlendem Umweltschutz in großen Mengen Gold oder Öl abgebaut wird – oder in Monokulturen mit hohem Flächen- und Pestizideinsatz Futter für die hiesige Massentierhaltung wächst. Den Preis zahlen aber auch künftige Generationen, die sich mit zerstörten Lebensräumen und der Bedrohung ihrer Lebensgrundlage konfrontiert sehen, etwa durch die Verschmutzung von Gewässern – auch hierzulande – oder Extremwetter aufgrund der Klimakrise.
Für den Schutz unserer Lebensgrundlagen
Gleichzeitig hat sich Deutschland verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu werden, die natürliche Vielfalt zu erhalten und die Nutzung von fossilen Brennstoffen nahezu komplett einzustellen. Die bislang ergriffenen Maßnahmen reichen jedoch bei weitem nicht.
Ein breites Bündnis aus mehr als 50 zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter auch Greenpeace, fordert deshalb von der Politik, konkrete und gesetzlich verankerte Ressourcenschutzziele. Nur so kann künftig ein sozial gerechter und ökologisch verträglicher Rohstoffverbrauch gewährleistet werden.
Echte Lösungen statt Scheinlösungen
Für den notwendigen Richtungswechsel reichen bestehende Teillösungen nicht aus, oftmals entpuppen sie sich als regelrechte Scheinlösungen. So verkennt der Ruf nach mehr Recycling, dass weiterhin zwei Drittel des Plastiks nicht recycelt wird. Die schiere Masse an Plastikmüll überfordert die Systeme. Die Lösung liegt also darin, weniger Plastik zu produzieren – und stattdessen zum Beispiel auf Mehrweg zu setzen. Auch die Substitution fossiler durch nachwachsende Rohstoffe im großen Stil hilft nicht weiter. Wenn etwa Mais für die Produktion von Wegwerfbechern angebaut wird, belegt das wertvolle Ackerflächen, die dann nicht mehr für den Anbau von Lebensmitteln zur Verfügung stehen.
Stattdessen brauchen wir eine auf Suffizienz, also weniger Verbrauch, und Gemeinwohl ausgerichtete, ressourcenschonende Produktions- und Lebensweise innerhalb der planetaren Grenzen.
Deutschland muss seinen Ressourcenverbrauch mindestens halbieren: Derzeit verbrauchen wir etwa 16 Tonnen Rohstoffe pro Person und Jahr, deutlich mehr als der nachhaltige Korridor von 5 bis 8 Tonnen vorgibt.
Kombiniert mit dem Aufbau einer echten Kreislaufwirtschaft, die Verkleinerung und Verlangsamung von Stoffströmen priorisiert – etwa durch Vermeidung, Langlebigkeit, Reparatur und Wiederverwendung, könnten wir unseren Ressourcenverbrauch enorm senken. So würden auch die neokolonialen Ausbeutungsmechanismen aufgebrochen werden.

“Der Ressourcenverbrauch heizt Klimawandel, Artensterben und Umweltverschmutzung weiter an. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Wandel hin zu einem bewussteren Konsum: Statt neu zu kaufen für den privaten Besitz, muss Leihen, Teilen oder gebraucht zu kaufen das neue Normal werden. Produkte müssen langlebig und reparierbar sein. Bei allem, was neu hergestellt wird, muss die Wieder- bzw. Weiterverwertung mitgedacht sein – sei es Häuserbau, Kleidung oder Smartphone. Bei einem modularen Smartphone können Komponenten einfach getauscht werden. Sind die Bauteile miteinander verklebt, ist eine Reparatur oft nicht möglich.”
Nachhaltig konsumieren: Was jede:r Einzelne tun kann
Die Politik muss den Rahmen setzen, um der Bevölkerung einen nachhaltigen Konsum zu ermöglichen. So ist nicht einzusehen, dass für Hafermilch 19 Prozent Mehrwertsteuer erhoben werden, für Milch und Fleisch jedoch nur sieben. Doch auch Verbraucher:innen können die Logik von Nachfrage und Überangebot infrage stellen und sich ihr, wo es geht, entziehen. Sie können alternative Geschäftsmodelle zum Neukauf unterstützen: Teilen, Mieten, Leihen, Reparieren, Secondhand können zum neuen Normal werden und den Unterschied im Kampf gegen die Klima- und Ressourcenkrise ausmachen. Das nachhaltigste Produkt ist immer eines, das nicht neu hergestellt werden muss.
Raus aus Fast Fashion
Die Produktion von Konsumgütern verschlingt nicht nur Ressourcen, auch die fertigen Produkte belasten – erst den Kleiderschrank und dann die Umwelt am Beispiel von Mode. Denn wir wissen nicht mehr wohin mit all dem Kram. So landet der Fehlkauf oder das nach wenigen Wäschen ausgeleierte Shirt aus der Fast Fashion-Branche in der Altkleidersammlung. Oft jedoch verhindert die meist schlechte Qualität der Produkte eine sinnvolle Weiterverwendung. Eine Greenpeace-Recherche folgte dem Weg von Altkleidern: Vieles endet auf illegalen Deponien oder in Flüssen in Ländern wie Ghana, Tansania, Kenia. Die Kleidung enthält größtenteils synthetische, aus Erdöl gefertigte Fasern: Sie ist damit nichts anderes als Plastikmüll und verseucht als solcher Böden, Luft und Meere.
Verpackungsmüll stoppen
Nachhaltig leben bedeutet auch, nach dem Wocheneinkauf nicht die Wertstofftonne bis zum Anschlag mit Einwegverpackungen vollzustopfen. Die Menge an Verpackungsmüll in Deutschland lag laut EU-Statistikbehörde Eurostat im Jahr 2023 bei etwa 237 Kilogramm pro Kopf. Damit liegt Deutschland deutlich über dem EU-Durchschnitt von knapp 189 Kilogramm.
Weltweit könnte laut Prognosen die Menge an produziertem Plastik bis 2060 auf 1,2 Milliarden Tonnen pro Jahr steigen – das entspräche 1,3 Millionen PET-Flaschen die Sekunde.
Ein Greenpeace-Report zeigt die Ausmaße unseres Plastikkonsums und die Folgen für unsere Gesundheit und den Planeten. Deshalb setzt sich Greenpeace für ein starkes globales Plastikabkommen ein und fordert, dass die Neuproduktion von Plastik bis zum Jahr 2040 um 75 Prozent reduziert wird. Lösungen wären zum Beispiel verpflichtende Mehrweg-Angebote und ein flächendeckendes System für Mehrwegverpackungen.
Immerhin gibt es seit Januar 2023 die Mehrweg-Angebotspflicht für die Gastronomie. Ein erster, wichtiger Schritt – die Umsetzung hinkt jedoch. So werden die Alternativen zu Einwegverpackungen in Fast-Food-Läden oder Restaurants kaum beworben und To-Go-Speisen nach wie vor in Einwegbehälter gefüllt. Lediglich 1,6 Prozent der Speisen im To-Go-Bereich werden in Mehrweg ausgegeben. Dabei verschlingen Einwegverpackungen nicht nur unnötig Ressourcen, sondern produzieren auch Müll – der in der Regel nicht recycelt und schlimmstenfalls in der Umwelt entsorgt wird.
Die Stadt Tübingen hat genug davon und eine Verpackungssteuer eingeführt. Betriebe, die Einwegverpackungen nutzen, müssen seit 2022 eine Verpackungssteuer zahlen. Das Müllaufkommen sank daraufhin spürbar. Die Idee ist gut - und nachahmenswert. In 25 Städten arbeiten Greenpeace-Ehrenamtliche deshalb daran, eine Verpackungssteuer einzuführen und Mehrweg zu fördern. Das Schöne: Jede:r kann sich in der eigenen Kommune oder Stadt für eine Verpackungssteuer einsetzen.
Und auch beim eigenen Einkauf lässt sich Verpackungsmüll reduzieren: die Mehrwegbox für die Käsetheke, unverpacktes Obst- und Gemüse, ein mitgebrachter Beutel fürs Brot.
“Black Friday”, “Cyber Monday” – und der Gegenentwurf
Und über allem kreist die Frage. Was brauche ich wirklich? In den Supermarkt solle man nicht hungrig gehen, lautet die Empfehlung gegen übervolle Einkaufskörbe. Doch was hilft gegen die Flut an Werbung für die Must-haves der Konsumwelt – wie es die Fast-Fashion-Industrie perfektioniert. Mit Sonderangebotstagen wie “Black Friday” und “Cyber Monday” hat der Einzelhandel regelrechte Konsum-Feiertage geschaffen: Ende November, mitten im Weihnachtsgeschäft locken Elektromarktketten und Onlinekaufhäuser mit Schnäppchen, die so preisgünstig sind, dass sie im Warenkorb landen, obwohl oft gar kein Bedarf besteht. Dabei brechen die Konzerne Umsatzrekorde, die jedes Jahr ein Stück nach oben korrigiert werden. Gut für Klima und Umwelt ist das nicht: Die Waren werden energie- und ressourcenintensiv produziert, um die halbe Welt geschickt – und im schlimmsten Fall gleich wieder entsorgt.
Greenpeace-Ehrenamtliche setzen jedes Jahr ein positives Gegengewicht zu der Rabattschlacht: Die MAKE-SMTHNG-Week lädt dazu ein, einander beizubringen, wie man Dinge des alltäglichen Gebrauchs einfach selbst herstellt. Dazu kommen Kleidertauschbörsen, Repair-Cafés, Workshops, Kochkurse und Vorträge. Die Idee ist, Alternativen zur Konsumgesellschaft aufzuzeigen, mit Spaß, aber auch spürbarer Wirkmacht: Im Kampf gegen die Klimakrise geht es nicht ohne individuelle Verhaltensänderungen. Dass die keinen Verzicht bedeuten, sondern das Aneignen von Fähigkeiten und der Austausch von Wissen ein Gewinn ist – das zeigt die MAKE-SMTHNG-Bewegung mit ihrem weltweiten Netzwerk von Maker:innen und Aktivist:innen.
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Jeder Beitrag zählt! Über 67% der Spenden fließen direkt in Kampagnen, die den Schutz unserer Umwelt vorantreiben. Weitere Mittel werden in Kommunikation, Werbung und Verwaltung investiert, um die Wirkung unserer Arbeit zu maximieren.
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Greenpeace ist stolz darauf, Siegel wie das der "Initiative Transparente Zivilgesellschaft" zu tragen. Wir setzen auf volle Offenlegung unserer Finanzen, um Ihr Vertrauen zu stärken und unsere Arbeit so nachvollziehbar wie möglich zu gestalten.
55
Einsatzländer
62.000
Ehrenamtliche und Aktive
> 3 Millionen
Fördernde
2023
Ende der Atomkraft! Jahrzehntelang wurde protestiert - am 15. April 2023 war es endlich soweit: Deutschland steigt aus der Atomkraft aus und es ist Schluss mit der hochriskanten Produktion von Atomstrom. Ein wahrer Grund zum Feiern!
2024
Gemeinsam mit über 54.000 Mitkläger:innen haben Greenpeace und Germanwatch am 16. September 2024 eine neue Verfassungsbeschwerde gegen die unzureichende Klimapolitik der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht.
2025
Wegen Greenwashing muss die Deutsche-Bank-Tochter DWS 25 Millionen Euro Strafe zahlen. Das ist die höchste Strafe, die jemals in Deutschland wegen Greenwashing-Delikten verhängt wurde. Endlich hat Greenwashing auch strafrechtliche Konsequenzen.